Pettersson in Weimar – „ein schönes Lied über Dinge, die nicht schön sind“

Die einzige Aufführung eines Pettersson-Werkes in dieser Saison fand am vergangenen Wochenende in Weimar statt. Stefan Solyom ist seit 2009 Generalmusikdirektor der Staatskapelle Weimar. Bereits im Jubiläumsjahr 2011 hat er in Norrköping als Leiter des dortigen Orchesters die 7. Sinfonie aufgeführt. Weimar ist ja auch durch Peter Gülke und George Alexander Albrecht mit zwei Pettersson-Protagonisten verbunden – allerdings ist mir ist nicht bekannt, ob die Aufführung am vergangenen Wochenende nicht doch die erste Begegnung des Orchesters mit Pettersson war. Gelungen erschien das dramaturgische Konzept, einen „schwedischen Abend“ auszugestalten. Auch wenn die Musik vieler Komponisten des 19. und 20. Jahrhunderts kaum über die Landesgrenzen gedrungen ist, lohnt doch eine Begegnung sehr. Ingvar Lidholms „Kontakion“ war da ebenso eine bereichernde Erfahrung wie die Aufführung des 2. Klavierkonzertes von Wilhelm Stenhammar, mit Janos Solyom – Onkel des Dirigenten – am Flügel.

In der Konzerteinführung redeten beide auch in Bezug auf Pettersson Klartext: Stefan Solyom hielt die 7. Sinfonie für ein musikgeschichtlich sehr bedeutendes Werk voller Schönheit, bemerkte aber auch offen, dass er „ein, vielleicht zwei Sinfonien der fünfzehn vollendeten für aufführungswert hält, den Rest nicht“. Dem Orchester habe Solyom das Werk nahegebracht, indem er sagte: „Spielen sie es wie ein schönes Lied über Dinge, die nicht schön sind.“ Weiterhin schloss Solyom Vergleiche aus – „Pettersson ist Pettersson“ und beschrieb die Harmonik der Musik wie ein Haus mit „chromatischen Korridoren“, in welchem man ab und an ein Zimmer mit einer Tonart erreicht und wieder verläßt. Auch der in Schweden sehr bekannte Pianist Janos Solyom konnte zu Pettersson eigene Erfahrungen beisteuern, er traf den Komponisten einige Male. Aus Solyoms Äußerungen ging aber auch hervor, dass die Besuche offenbar nicht angenehm verliefen, denn Pettersson war stark von seiner Krankheit gezeichnet und seine Kontakte zur Außenwelt waren nicht gerade von einfacher Natur.

Die Aufführung der 7. Sinfonie selbst war sehr erfreulich – zwar war die Weimarhalle zu diesem außergewöhnlichen Programm nicht komplett gefüllt, aber man nahm ein aufmerksames Publikum wahr, dass sich direkter Reaktionen nicht verschloss, Applausverweigerung der Abonnenten bereits bei „Kontakion“ eingeschlossen. Großen Jubel heimste das Stenhammar-Konzert ein und auch die Pettersson-Sinfonie wurde sehr positiv aufgenommen. Solyom formte mit dem Orchester einen tollen Beginn und fand genau das passende ruhige, in Halben schwingende Tempo, das nötig ist, um aus den Anfangsmotiven den Spannungsaufbau zu erzeugen. Dementsprechend kraftvoll und dennoch klar gesetzt wirkten die Höhepunkte – nicht immer war da die Balance im Tutti optimal, auch die Platzierung von Trompeten und Posaunen in der rechten Ecke der Bühne wirkte (von meinem Platz aus) eher „schattig“. Streicher und Holzbläser kamen sehr gut mit der Partitur zurecht.

Solyom betreute den Fortgang intensiv, allerdings auch im großen Streicherchoral mit ein wenig zuviel romantischem Gestus. Durch ein recht langsames Tempo in den Schlussabschnitten mit den letzten Schlagzeugeinwürfen fehlte mir dann die für Pettersson sehr wichtige Spannung des Abgesanges (die ja bereits die Erinnerung der Erschütterung in sich trägt) – ein Weltklasse-Piano in der Piccoloflöte gemeinsam mit den hohen Streichern im „singenden“ Schluss machte das aber wett. Somit erlebte ich eine insgesamt äußerst spannende Aufführung, die auch zeigte, dass die „Arbeit“ mit diesem sinfonischen Riesenblock niemals aufhört. Je nachdem wie Dirigent und Orchester die Emphase auf Tempofeinheiten, auf die melodisch Linie, auf Attacken oder Ostinati legen, verschiebt sich die Wahrnehmung der Sinfonie enorm. Hervorhebenswert sei auf jeden Fall auch das Engagement der Musiker, die sich um größtmögliche Homogenität und genaue Ausformung der „Statements“ bemühten.

1 Kommentar

  1. Jörg Wohner

    Da ich auch dieses Konzert besucht habe kann ich nur zu der obigen Meinung zustimmen. Wir waren zu dritt (meine Frau und eine Kollegin von mir) am Sonntag Nachmittag angereist über Berlin um uns mit Allans Musik wieder einmal zu befreunden.
    Letzter Kontakt war die Neunte Sinfonie in Jönköping, aber das ist jetzt schon wieder eine lange Weile her. Das Stück von Liedholm war neu für mich aber es hat mir gut gefallen. Stenhammars Musik ist vielleicht nicht ein Grund für eine so lange Reise von Schweden nach Weimar….
    Allans Musik lebt vom Konflikt und dieser wurde Zeitweise unterdrückt vielleicht um die Musik besser an das Publikum „zu verkaufen“. Der Mann neben mir schaute immer wieder auf die Uhr und es wurde vielleicht teilweise auch aus Sympathie applaudiert. Ich war jedenfalls begeistert ! Da ich auf der ersten Reihe sass kamen vielleicht nicht alle Instrumente so gut an ? Die Trommel war jedenfalls sehr leise.

    Die Einführung zum Konzertabend vom Dirigenten war eher eine traurige Geschichte voll mit persönlichen Auffassungen und fast gar nichts zu der Struktur der kommenden Musik. Wir waren jedenfalls enttäuscht. Der Dirigent hielt nicht viel von Allans Musik und es wunderte fast weshalb er diese überhaupt vorführte.
    Nun, er tat trotzdem einen guten Job obwohl ich schon bessere Vorführungen hinter mir habe. Das Orchester hat Ihr bestes geleistet. Insgesamt erhielten wir einen sehr schönen Ausflug über das Wochenende. Zu dem sind wir jederzeit wieder bereit wenn Allans Musik vorgeführt wird.

    Gruss aus Schweden !
    Jörg Wohner

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